World Heritage Watch ist eine unabhängige Organisation, die zum Schutz der Welterbestätten eine Brücke zwischen staatlichen Institutionen und den Bürger*innen schlägt. Nachfolgend veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung die Eingabe von World Heritage Watch zur öffentlichen Auslegung des BP 05.10 (Juni 2021):
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Freytag,
sehr geehrte Damen und Herren
durch die oben aufgeführten erneuten Offenlagen (50. Änderung des FNP und BP 05.10 „Östlich Lindenstraße, westlich An der Schallenburg“) sehen wir uns zu einer Stellungnahme veranlasst.
World Heritage Watch ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin, der sich für die Erhaltung des UNESCO-Welterbes weltweit einsetzt und ein weltweites Netzwerk von 200 zivilgesellschaftlichen Akteuren koordiniert. Wir achten darauf, dass das Welterbe nicht politischen Kompromissen und ökonomischen Interessen geopfert wird. Wir unterstützen das UNESCO-Welterbezentrum im Monitoring, indem wir ihm Informationen zur Verfügung stellen, die für den Erhalt des herausragenden universellen Wertes der Stätten relevant sind und soweit es diese nicht von den Mitgliedstaaten erhält. Diese veröffentlichen wir in unserem jährliche World Heritage Watch Report. Die Bedrohung der Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl hat nur deshalb keine Aufnahme in unseren diesjährigen Report gefunden, weil letzterer redaktionell vor unserer Kenntnis von der Sachlage in Brühl abgeschlossen wurde.
Durch den Bebauungsplan 05.10 „östliche Lindenstraße, westlich An der Schallenburg“ sowie die 50. FNP-Änderung im Parallelverfahren werden die Belange der Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust in deutlicher Weise mißachtet. Die spezifischen Merkmale, die den Status der Welterbestätte begründen, sehen wir ernsthaft beschädigt und den Status der Welterbestätte gefährdet. Wir schließen uns in der Sache vollumfänglich den erstmalig bereits im April 2020 gemachten Äußerungen von ICOMOS an. In der jetzt erneut vorgelegten Planung ist keine Würdigung des besonderen Wertes der Welterbestätte und ihres Umfeldes erkennbar.
Die Brühler Schlösser Augustusburg und Falkenlust repräsentieren mit ihren Gartenanlagen die höchste Qualität fürstlicher Baukunst des 18. Jahrhunderts im Rheinland, die bis heute weitgehend erhalten blieb. Der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August von Wittelsbach verpflichtete mit den Architekten Johann Conrad Schlaun, François de Cuvilliés und Balthasar Neumann sowie dem Gartenarchitekten Dominique Girard herausragende Meister der Régence und des Rokoko in Deutschland. Nicht minder bedeutende Spitzenkräfte unter den Künstlern und Kunsthandwerkern wurden von dem Kurfürsten zur Ausschmückung seiner fürstlichen Nebenresidenz nach Brühl gerufen.
Die staatlichen Bemühungen um diesen Kulturschatz sind seit der Sicherung des barocken Gartens und seiner Erweiterung um einen englischen Landschaftsgarten durch Peter Joseph Lenné ab dem Jahr 1842 ungebrochen. Das Land Nordrhein-Westfahlen trägt als Eigentümer im Bewusstsein der traditionellen und aktuellen Verpflichtungen zur Erhaltung der Brühler Schlösser seit den Wiederaufbaujahren der Nachkriegszeit den finanziellen Aufwand zur Bewahrung, zur Betreuung und angemessenen Nutzung des Denkmalbestandes als Museum. In Anerkennung dieser erfolgreichen Bemühungen sind die Brühler Schlossbauten mit ihren ausgedehnten Anlagen (insbes. der Wiederherstellung der ursprünglichen Gartengestaltung) schließlich im Jahre 1984 in die Welterbeliste der UNESCO eingetragen worden. Inzwischen ist Brühl das Ziel internationaler Besucherströme.
Eine besondere Attraktion sind die Gärten, die nach ihrer Rekonstruktion als eines der authentischsten Beispiele formaler Gartenkunst außerhalb Frankreichs gelten können. „They can be said to be the most authentic example of formal gardens in the French style outside of France.”(Adoption of Retrospective Statements of Outstanding Universal Value, WHC-14/38.COM/8E, p. 70) 2014. „Mit einem dem 18. Jahrhundert immanenten spielerischen Reiz, Besonderes zu entdecken und zu erleben, schweift der Blick über die weite Landschaft und führt mit geraden Sichtachsen zu den ausgewählten Orten am Horizont, zu herausragenden Architekturen und baulich überhöhten topografischen Besonderheiten.“ (Dr. Elke Janßen-Schabel, Welterbe Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl. Gutachten zur Feststellung einer Sorgfaltsfläche. LVR-ADR 2008, 15)
Die inhaltliche Verbindung der Anlage mit der Umgebung betrifft nicht nur die durch die Hauptallee des Schlossparks gebildete zentrale Sichtachse zu dem Burggebäude der im Süden gelegenen Ortschaft Schwadorf, sondern entfaltet sich von der Aussichtsterrasse auf den Raum zwischen Siebengebirge im Südosten bis zum Vorgebirge im Südwesten. Besondere Bedeutung kommt insofern dem Freiraum unmittelbar westlich der Sichtachse zu, der sich zwischen Schlosspark und der historischen Ortsgrenze des Ortes Schwadorf erstreckt. Der besondere mehrfache Zeugniswert dieser Siedlungsgrenze vor Strauchshof und Schallenburg wird durch das historische Wassersystem besonders deutlich (Dr. Janßen-Schnabel, S. 21).
Durch die durch Bebauungsplan und Flächennutzungsplan vorgesehene Bebauung wird dieser landschaftliche Bezug mißachtet und empfindlich verletzt.
Rechtlicher Schutz
In den vergangenen Jahrzehnten wurde von der UNESCO wiederholt die Ausweisung einer Pufferzone als Voraussetzung für den adäquaten Schutz der Welterbestätte und ihres Outstandig Universal Value angemahnt. Seit 2008 ist die Bestimmung einer Pufferzone im Gespräch (Clarifications of property boundaries and sizes by States Parties in response to the restrospective inventory) zuletzt 2013 (Periodic Reporting Cycle 2, Section II): „Although the boundaries of the World Heritage property are adequate to maintain the porperty’s OUV, it is necessary to establish a buffer zone to protect the property’s unique situation in the surrounding cultural landscape“.
Das Gutachten des LVR-ADR hat die inhaltlichen Bezüge der Welterbestätte zum Umland vor dem Hintergrund historischer Dokumente klar festgehalten. Eine angemessene Pufferzone ist bislang für die Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust nicht festgesetzt worden. Mit umso größerer Sorge sehen wir daher die völlige Mißachtung der verschiedenen Zielvorgaben in dem LEP und RP, die bereits unter den Gedanken des Freiraums, der Grünzüge und der Kulturlandschaft eine Schutzwirkung für die Welterbestätte enthalten. Insbesondere halten wir den Hinweis des Begründungstextes, dass das geplante Baugebiet nach LEP 2-3 als Siedlungsarrondierung bei nicht gegebener Siedlungsgrenze erlaubt sei, für sachlich völlig verfehlt. Die historische Ortskante ist, wie oben ausgeführt, gerade durch Lindenstraße, Strauchshof und Schallenburg eindeutig bestimmt.
Nachhaltigkeit
Die Planungen widersprechen in vielerlei Hinsicht dem „Richtlinienpapier zur Einbeziehung einer Perspektive der nachhaltigen Entwicklung in die Prozesse der Welterbekonvention“ (Generalversammlung der Vertragsstaaten der Welterbekonvention, 20. Sitzung 2015 [Ersatzlink; DENKmal-bruehl.de]). Sie verstoßen insbesondere gegen die Absprachen umweltgerechter, nachhaltiger und gerechtigkeitsfördernder Aufgaben des Welterbeschutzes: Die Herausforderungen des Klimawandels und des verstärkten Tourismus verlangen für eine nachhaltige Sicherung des Erbes intelligente Konzepte, die das Umland mit einbeziehen.
Die temporäre Schließung des Brühler Schlossparkes 2020 aufgrund der durch Trockenheit verursachten Baumschäden hat die Dringlichkeit ökologischer Belange besonders deutlich gemacht. Die vorliegenden Planungen verstoßen mit ihren immensen Eingriffen in die kulturgeschichtlich bedeutsame Landschaft der Pufferzone insbesondere gegen die von den Vertragsstaaten eingegangene Verpflichtung „dafür Sorge tragen, dass biologische und kulturelle Vielfalt sowie Ökosystemleistungen für Menschen, die zu ökologischer Nachhaltigkeit beitragen, innerhalb der Welterbegüter, in deren Pufferzonen und im weiteren Umfeld geschützt und gefördert werden.“(Richtlinienpapier 2015, S. 5)
Die Stadt Brühl profitiert seit Jahrzehnten von der Welterbestätte und steht, auch wenn sie nicht als Eigentümer die Kosten zu tragen hat, als Teil der staatlichen Verwaltung gleichfalls in der Verantwortung für das Welterbe. Die Entwicklung eines nachhaltigen örtlichen Tourismuskonzeptes ist dabei vorrangige Aufgabe der städtischen Kommune.
Angesichts der gravierenden Einwirkungen auf das Welterbe der Schlösser Augustusburg und Falkenlust verweisen wir für alle Baumaßnahmen auf die Verpflichtung nach §172 der Operational Guidelines / Durchführungsrichtlinien zur Welterbekonvention. Wir erinnern Sie daran, dass die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung gegenüber der Weltgemeinschaft übernommen haben, „alles in ihrer Macht stehende zu tun“, um die Welterbestätten auf ihrem Territorium als gemeinsames Erbe der gesamten Menschheit zu schützen und zu bewahren. Wir fordern Sie auf, dieser Verpflichtung nachzukommen und eine Bebauung des in Frage stehenden Areals nicht zuzulassen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Dömpke
Vorsitzender