Brühl

Blick vom Point de Vue des Brühler Schlossparks auf das Vorgebirge. ©Anja Schmid-Engbrodt.

Georg Braun, Civitates orbis terrarum (Städte der Welt), 4 Bde. Köln 1572-1615, hier: Bd. 2 (Köln: Godfrid von Kempen 1575). Dieser Kupferstich von Franz Hogenberg (1535 Mecheln – 1590 Köln) ist die frühste bekannte Stadtansicht von Brühl.

Dieser frühe Kupferstich von Brühl zeigt die Lage der mit Mauern geschützten Stadt nahe dem Vorgebirge (links) und inmitten von Feldern. Unter den vielen Kirchen mag man vielleicht als zweite von links St. Margareta und als dritte die ehemalige Franziskaner- und heutige Schlosskirche erkennen. Eindeutig zu identifizieren ist jedenfalls die alte Burg am rechten Stadtrand: Markant ragt der dicke runde Turm hervor, dessen Fundamente noch heute erhalten sind.

BRULA, vulgari idiomate Broell
BRULA, volkssprachig Broell genannt

„Brühl“ bedeutet dem Wort nach „Sumpfwiese“; die Veränderung des Stadtnamens erfolgt dabei weitgehend parallel zur Veränderung des allgemeinen Begriffs von mittelhochdeutsch brüel über frühneudeutsch bryel (so oder als Bruyl noch auf Karten im 18. Jh.) zum neuhochdeutschen Brühl. Hier bezeichnet Brühl die herrschaftlichen Wiesen, die an das Herrenhaus grenzen und dicht bei dem Dorf liegen. (Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 21. unv. Aufl. Berlin/ New York 1975, S. 104 mit Verweis auf Viktor Ernst, Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, 1926, S. 113ff.)

Die fruchtbaren Wiesen, später auch Felder lassen sich auf der frühen Abbildung bereits erkennen. Im Vorgebirge entspringend durchzogen zahlreiche kleine Wasserläufe die ohnehin grundwasserreiche Rheinebene und begünstigten den wiederholt anzutreffenden Bautyp der Wasserburg. Bei dieser steht das Haupthaus auf einer eigenen Insel, der Wassergraben wirkt wie eine umgekehrte Mauer: durch den schluffig-lehmigen Boden ist er selbst bei geringer Tiefe nicht ohne Schwierigkeiten zu durchqueren. Die Wasserumwehrung diente als Herrschaftsmerkmal und auch der Vorgängerbau des heutigen Brühler Schlosses war eine Wasserburg.

Churfurstlicher hoff von Colln.

Dieser Herrschaftssitz war eine Landesburg des Kölner Bischofs, Brühl und Umland waren Teil des Kurfürstentums Kurköln. Auf dem Rückzug ihres dritten Eroberungskrieges sprengten 1689 die französischen Truppen Ludwig XIV. (des Sonnenkönigs) diese Landesburg. Der Neubau der Burg als barockes Schloss und prächtige Residenz, als das spätere, uns heute bekannte Augustusburg, erfolgte erst ab 1725 unter Clemens August (1700-1761, ab 1723 Kurfürst und Erzbischof). Dabei behielt das Schloss zunächst seinen mächtigen Turm und erhielt symmetrisch ergänzend einen zweiten nach Süden hin.

Veue Dans La Champagne De FALCKENLUST, Renier Roidkin um 1732/33. Tuschezeichnung. ©UNESCO-Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust Brühl.

Genau diesen Zustand zeigt die Tuschpinselzeichnung von Renier Roidkin (1684-1741), bei der das neue Schloss Augustusburg im rechten Mittelgrund zu sehen ist. Im linken Mittelgrund Schloss Falkenlust, das private Jagdschloss des Kurfürsten. Dazwischen der weitläufige Tiergarten, von dem hier bereits die Allee nach Falkenlust als Spielplatz und Maillebahn (länglich gebahnter Freiraum für ein golfähnliches Ballspiel) angelegt ist.

Überdies zeigt das fantasievolle Panorama von Roidkin die Einbindung der Brühler Schlösser Falkenlust und Augustusburg in die Landschaft, die hier nun als weiträumiger Bereich für die herrschaftlichen Vergnügen von Ausritt und Falkenjagd gezeigt wird; verschiedene kleinere Orte sind in der Ferne nur angedeutet.

Falkenjagd vor Falkenlust, François Rousseau um 1763/64. Gemälde unter dem Umkehrpodest im Treppenhaus von Schloss Augustusburg. ©bmb, Florian Monheim.

Dass das Vergnügen der Falkenjagd in der Brühler Residenz einen besonderen Stellenwert beigemessen bekam, wurde den Besuchern schon bei Eintritt in das prächtige Treppenhaus von Schloss Augustusburg durch die dortigen Landschaftsansichten veranschaulicht.

Das Jagdschloss nimmt jetzt die zentrale Bildposition ein, doch neben dieser besonderen Vorliebe verdeutlichen diese Veduten zugleich die eigene gesellschaftliche Position: So ist im Überblick der hier gezeigten Vedute am rechten Rand der Hauptsitz des Kurfürsten von Kurköln, die Skyline von Köln mit dem unfertigen Dom und dem charakteristischen Baukran, dargestellt und nur scheinbar am Rande und vielmehr im Vordergrund weitaus prominenter als zuvor einer der zahlreichen umliegenden Adelssitze, wobei sich nicht ganz klar ausmachen lässt, ob Palmersdorfer Hof, Godorfer Burg (Berzdorf) oder Schloss Entenfang (Wesseling). Auf all diesen in der Feldflur liegenden Höfen und Burgen von Adeligen, die dem Landesherrn unterworfen waren, beliebte sich der Kurfürsten auf seiner Jagd einzuladen. Die Bäche und Wasserläufe, welche die zahlreichen Höfe und Burgen der näheren Umgebung ebenfalls seit jeher in der ein oder anderen Weise zur Einfriedung (zur Ab­grenzung und zum Schutz) nutzten, da sie ja nicht in Stadtmauern eingeschlossen und geschützt waren, wurden nun zunehmend als Jagdgründe interessant: Hier waren die Reiher für die Falkenjagd zu finden.

Preußische Uraufnahme (1836-50), in Grau hinterlegt die aktuelle Straßenführung und Bebauung mitsamt privater Grünflächen (AKTIS-Karte). ©GeoBasis 2020.

In der barocken Anlage von Schloss Augustusburg dient das Wasser damit nicht mehr zur Umwehrung, sondern zu einer bewussten Gestaltung: der Inszenierung von Natur und von künstlerischer Prachtentfaltung. Im Schlosspark können noch heute an dem großen und kleinen Inselweiher Reiher gesichtet werden, welche mit diesen Teichen angelockt werden sollten, und im Südparterre staut sich das Wasser zum ruhigen Spiegel, mit dem der Kurfürst den prachtvollen Innenraum des Schlosses erweitert. Die landschaftliche Umgebung ist Verlängerung und Wechselspiel zur geometrischen Durchgestaltung des Parks. Sie wird als Prospekt dem herrschaftlichen Anspruch unbegrenzter Macht unterworfen. Über verschiedene Blickachsen werden die umliegenden Adelssitze in die Parkgestaltung einbezogen: Die Schwadorfer Burg, die nach den damaligen Besitzern, der Familie Schall von Bell, auch Schallenburg genannt wird, bekam dabei eine besondere Bedeutung zugewiesen. Sie liegt in der zentralen Blickachse der Schlossallee und ist sogar von der Schlossterrasse aus zu sehen.

Von seiner Lage, seiner Siedlungsgeschichte und Gestaltung ist Brühl mit dem ehemaligen Sitz des Kurfürsten ein so reiches und bedeutsames Erbes zuteilgeworden, dass dieser außergewöhnliche Reichtum als Schatz der Weltgemeinschaft, als UNESCO-Welterbe, bestimmt wurde: Zu diesem Welterbe gehören die Baudenkmäler der Brühler Schlösser Augustusburg und Falkenlust sowie die prächtigen Gartenanlagen und auch ihr klar erkennbarer Bezug auf das Umland. Die Prägung der Rheinebene durch Agrarnutzung und durch kleinere Ortschaften gehört ebenso wie die Sicht in das Umland, insbesondere zum Siebengebirge und zum Vorgebirge, aber auch zu den einzelnen Orten, Höfen und Burgen zum besonders zu beachtenden Umgebungsraum, der sog. Pufferzone der Welterbestätte. Der Landesplan hat sie als landesbedeutsamen Kulturlandschaftsbereich „Brühler Schlösser – Vorgebirge“ definiert. Der Regionalplan hat darüber hinaus zahlreiche der Orte als eigene Kulturlandschaften festgeschrieben (so neben den Brühler Schlössern die Orte Schwadorf, Walberberg und Badorf sowie den Palmersdorfer Hof, die Godorfer Burg, den Dickopshof u.a.m.).

Da wir heute diese Stätten zumeist zu Fuß oder mit dem Fahrrad, alleine oder in Gesellschaft spazierend wahrnehmen, verbindet sich der kulturlandschaftliche Raum (auch wenn Falkenlust in den winterlichen Abendstunden von der A 553 angestrahlt zu sehen ist) mit dem Raum der Naherholung und – bei zunehmender Besiedelung – mit dem definierten Freiraum für die klimatischen Frischluftzonen. Der vormals kurfürstliche Landschaftsraum ist Teil des Naturpark Rheinland und durch die Landes- und Regionalplanung als erhaltenswerter Freiraum festgesetzt. In weiten Teilen definiert als „Grünzüge“ steht dieser Bereich für eine Besiedelung ausdrücklich nicht zu Verfügung. Der Umgebungsschutz für Welterbestätten, den die UNESCO erst im letzten Jahr auf ihrer Fachtagung „Welterbe und Nachhaltigkeit“ im Max-Ernst-Museum in Brühl betont hat, ist gerade für die Anlage der Brühler Schlösser von besonderer Bedeutung. Er allein wahrt die Erlebbarkeit unseres kulturellen Erbes in Brühl und die Möglichkeit zu seiner Weitergabe an kommende Generationen und somit die nachhaltige Freude an unserer Heimat.

Von dem Aussichtspunkt am Rand des Schlossparks konnte und kann man das ganze Umland in der Rheinebene erfassen, gerahmt von den Hängen des Vorgebirges im Westen. So sieht man über die gemauerte Einfriedung zum Vorgebirge die Pfarrkirche von Walberberg, daneben den Hexenturm mit seinem gut erkennbaren Kupferdach, und weiter den Hang hinauf die Rheindorfer Burg, heute baulich sehr stark verändert als Domäne Walberberg. Links des Bildausschnitts: Schwadorf mit St. Severin und der Schallenburg sowie die Rheinebene.