Schwadorfer Burg / Schallenburg

Die Schwadorfer Burg nach der Sanierung der Kriegsschäden (1962). ©Archiv Burg Schwadorf

Die Schwadorfer Burg zeigt die typische zweigeteilte Anlage einer rheinischen Wasserburg: Neben der Insel der eigentlichen Burg gab es eine eigene Insel für den Bereich der sog. Vorburg, auf der die Wirtschaftsgebäude standen. Dabei stand und steht die Schwadorfer Burg nicht auf einer natürlichen oder künstlich angeschütteten Insel, sondern mit der Burg wurde eine eigene Insel gebaut: Zahlreiche Eichenpfähle wurden als Fundament in den sumpfig-lehmigen Boden gebracht. Nur auf ihnen konnte der massive Backsteinbau errichtet werden. Von Wasser umspült und hierdurch vor der Luft und dem Verfaulen geschützt, verhärteten die Pfähle mit den Jahrzehnten und Jahrhunderten immer mehr. Die landwirtschaftliche Nutzung der fruchtbaren umgebenden Feldflur gehörte zur Anlage einer rheinischen Wasserburg. Das unterscheidet sie von einem bloßen Festungsbau. Andererseits zeigte die Wasserumwehrung gegenüber jedem noch so prächtigen Gutshof den Herrschaftsanspruch des Eigentümers: Die Wassergräben (die sog. Gräfte) um Burg und Vorburg qualifizierten das Anwesen zum Sitz im kurkölnischen Landtag.

Im Gegensatz zur grundsätzlichen Anlage gab es für die Bauform der Burg zwar Muster, aber nicht eine verbindliche Vorgabe und die rheinischen Wasserburgen zeigen daher sehr unterschiedliche Ausführungen. Die Schwadorfer Burg ist dabei von schlichter Sinnfälligkeit. Das ursprüngliche Haupthaus ist ein Rechteck mit diagonalversetzten Türmen: der westliche Turm zum Dorf hin steht vor dem Gebäude, der östliche Turm zum Siebengebirge hin steht hinter dem Gebäude. Auf diese Weise lassen sich alle Seiten der Burg leicht übersehen und können etwaige Angreifer – erst recht, wenn das Wasser bis an das Gebäude reicht – ohne weitere Umstände unter Beschuss genommen werden. Dieser ursprünglich wehrhafte Charakter des Gebäudes ist auch an den Schießscharten abzulesen (gut sichtbar im 1. OG der Nordfassade).

Zugleich zeigt die Schwadorfer Burg durch die späteren baulichen Veränderungen beispielhaft, wie sich über die Jahrhunderte die Nutzungsbedingungen solcher Bauten wandelten. Die deutlichste Veränderung des wehrhaften Baus, der u.a. durch die gotischen Treppengiebel sichtbar bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, erfolgte im Barock. Ohne dass eine der Landesburg oder Stadt Brühl vergleichbare Zerstörung bekannt wäre, erfuhr die Schwadorfer Burg nach Abzug der Franzosen im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert eine deutliche Umgestaltung. Die damaligen Besitzer, die Familie Schall von Bell (ebenfalls schon im 15. Jahrhundert am Ort nachweisbar), ließen anstelle der früheren Fensteröffnungen neue Fenster einfügen: fast dreimal so groß wie die alten Fenster und versehen mit einer verzierten Steineinfassung (einem Rahmen mit den typisch barocken Ausbuchtungen im oberen Bereich) gaben sie der Burg ein zeitgemäß herrschaft­liches Aussehen. Der Eingang wurde mit dem mächtigen Portal aus Trachyt­stein besonders hervorgehoben und mit der noch heute vorhandenen Holztür versehen. Sie besitzt, wie es im Barock neu aufkam, ein großzügiges Oberlicht.

Nordseite der Schwadorfer Burg ©Archiv Burg Schwadorf

Auf der rückwärtigen Süd­seite erfolgte wenig später ein einfacher Anbau, der die Grundform der Burg T-förmig erweiterte. Darüber hinaus nutzten die Schall von Bell ihr Anwesen jetzt auch als Ausgangspunkt zur Jagd, was allerdings zu Rechtsstreitigkeiten mit dem Kölner Stift St. Severin führte, das die Hoheit über die Herrlichkeit Schwadorf innehatte.

Nachdem die Schall von Bell den Rechtsstreit um das Jagdrecht verloren hatten, die französischen Truppen (diesmal der Revolutionäre) 1794 ins Rheinland kamen und die Schallenburg sogar zeitweise unter Zwangsverwaltung gestellt wurde (weil Clemens August Schall von Bell im rechtsrheinischen Düsseldorf weilend als Emigrant galt), verkaufte die Familie das Anwesen an die damaligen bürgerlichen Pächter. Diese bzw. deren Nachkommen spalteten die zur Burg gehörigen Ländereien weitgehend ab und verkauften die Burg 1856 an den Vorfahren der jetzigen Eigentümer.

Die Schwadorfer Burg erfuhr nun die im 19. Jahrhundert häufig anzutreffende weitere Umgestaltung zum ständigen Wohnsitz auf dem Land: Die der Burg vorgelagerten Wirtschafts­gebäude aus Fachwerk, die Vorburg, wurde ‚transloziert‘ – von der Insel vor der Burg auf den Platz hinter der Burg versetzt. Dadurch entstand auf der Insel vor der Burg ein in sich geschlossenes, als kleiner Park angelegtes Areal und in Verbindung mit der zentralen Zufahrt durch eine Allee ein großzügiger Blick auf die Vorder- und Schauseite der Burg. Eine reduzierte landwirtschaftliche Nutzung blieb trotz der neu betonten Wohnnutzung gegeben: Das zum Dorf hin gelegene Feld wurde noch bis in die 1980er Jahre bestellt, dann wurden die Geräte für eine solche Nutzung zu groß und drohten die Allee zu beschädigen. (Auf der Zeppelin-Aufnahme von 1933 kann man unschwer einen Traktor über das Feld fahren sehen. Zu dieser Zeit wurden auf dem östlichen Gelände in den erkennbaren kleinen Ställen Hühner gehalten.) Im 20. Jahrhundert gab es außerdem Plantagen von Schattenmorellen und Äpfeln sowie weitere Obstbäume, von denen derzeit nur noch mehrere Quittenbäume vorhanden sind.

Gräfte der Schwadorfer Burg als Element des Parks (Sommer 1928). ©Archiv Burg Schwadorf

Die verschiedenen Anpassungen an den Wohnbedarf haben das Gebäude nicht seiner ursprünglichen Anlage beraubt (selbst die Fundamente der vormaligen Wirtschaftshöfe wurden als Mauern links und rechts der steinernen Brücke in die neue Parkgestaltung integriert) und das Burgareal wurde ohne weitere Schmälerungen erhalten. (So steht nicht nur die Burg als Baudenkmal unter Denkmalschutz, ebenso ist die Wasserumwehrung als Bodendenkmal geschützt und überdies sind die Gräfte und die Bachläufe rund um die Burg als Biotope eingetragen und dem Landschaftsschutz unterstellt.)

Die Schwadorfer Burg bewahrt in ihrer schlichten Bauform und übersichtlichen Anlage eine hohe Anschaulichkeit und Erlebbarkeit des Bautyps der rheinischen Wasserburg. Ihre besondere Bedeutung und ihren exemplarischen Zeugniswert erhält die Burg durch die klar erkennbare ursprüngliche Anlage der Gräben und die Angliederung an das Dorf: Wasserburgen standen frei in der Landschaft, von Feldern umgeben, oder waren Orten angegliedert, deren Abgrenzung zum freien Feld sie – wie in Schwadorf – markierten. Hier ist der historische Ortskern mit der mittelalterlichen Wegeführung und den alten Bachläufen erhalten und so kann die Schallenburg heute sogar noch die alte Einfriedung des Geländes und Füllung der Gräfte durch die damaligen Bachläufe vorweisen, in deren Wasserführung sich die rechtwinklige Form der Vorburginsel wiederholt und die rechtliche Sonderzone um das freiadelige Burgareal kennzeichnet. Für die Anlage, vor allem aber für die Standfestigkeit des Burggebäudes selbst ist der Wasserzufluss existentiell. Weit genug entfernt von Abbaugebieten der Braunkohle haben die Burg die Folgen der so verursachten Grundwassersenkungen ‚nur‘ durch den verminderten Wasserstand der Bäche erreicht, der freilich im Sommer – zumal in den Hitzeperioden der letzten beiden Sommer – eine konstante Befüllung der Gräfte (die über keinen Ablauf verfügt) schwierig werden lässt.

Der Dickopsbach im Norden der Schwadorfer Burg

Durch ihren Bezug zur UNESCO Welterbestätte Schloss Augustusburg erhält die kulturlandschaftlich typische Dorf- und Burganlage eine Bedeutung weit über den regionalen Wert hinaus. Das Schwadorfer Ensemble veranschaulicht nicht nur die Zeitebene kurfürstlicher Herrschaft unter Clemens August oder die Gründung und Anlage der ehemaligen Landesburg, des Vorgängerbaus von Schloss Augustusburg. Es zeigt darüber hinaus bislang auch die weitere, lebendige Entwicklung von Ort und Burg unter Nutzung und Wahrung der eigenen charakteristischen Beschaffenheit.

Noch sind übrigens auch in der Gräfte der Schallenburg Reiher zu finden. Sie können sich vor der Falkenjagd sicher sein: Der Falke, der hier als Zugvogel seine Sommer­residenz hat, ist ein häuslicher Turmfalke. Er hat sich in der linken Schießscharte des 1. OG eingerichtet und ist am besten Ende Mai / Anfang Juni zu erblicken, wenn er sich zur Atzung der Jungen auf Raubzüge begibt.

Foto: Udo Hürten